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Kirche St. Martin (1635)

Anlässlich der Innenrenovation der Pfarrkirche von Roggenburg sind auf der südlichen Stirnwand der Apsis zwei Schichten mit a secco Malereien freigelegt worden. Reste der ersten Malschicht, die vor allem im oberen Teil grossflächig freigelegt werden konnten, weisen auf die Darstellung des heiligen Mauritius hin. Zur gleichen Malschicht gehören Darstellungen auf der nördlichen Längsseite, die im unteren Bereich als gemalte Steinquader, im oberen Bereich als gemalte (Purpur) Vorhänge zu lesen sind.

Um die Mitte des 14. Jahrhunderts errichtete man zwei Seitenaltäre und liess die Wandfläche oberhalb der Altäre mit einem neuen Bildprogramm übermalen. Dieser Vorgang steht vermutlich im Zusammenhang mit einer Erweiterung oder mit einem Wechsel des Kirchenheiligen.

Diese zweite Freskomalerei zeigt vier Bildfelder: oben links die Krönung Mariae, oben rechts der heilige Martin, der seinen Mantel für den Bettler teilt. Im unteren Register links ist eine Schutzmantelmadonna zu sehen; rechts eine seltene Darstellung der Legende von den drei Lebenden und den drei Toten. Die vier Bildtafeln sind durch ein Rankenband verbunden.

Im oberen Register sind sehr wahrscheinlich mit dem heiligen Martin und der Mutter Gottes die beiden neuen Kirchenheiligen dargestellt. Die Roggenburger Pfarrkirche ist eine Martinskirche, und der rechte Seitenaltar ist der Maria geweiht. Das untere Register thematisiert die Vorstellungsbereiche von Vergänglichkeit, Tod und göttlicher Fürsorge.

Besondere Aufmerksamkeit verdient die Darstellung der drei Lebenden und der drei Toten. Ursprünglich aus der französischen, höfischen Literatur des 13. Jahrhunderts stammend, fand die Erzählung im 14. und 15. Jahrhundert über die Gattung der Buchmalerei hinaus grosse Verbreitung in der Wand- und Tafelmalerei. Die Legende ist in den Umkreis der mittelalterlichen Totentänze zu setzen, wobei hier der Gedanke der Vanitas (Vergänglichkeit, Nichtigkeit) im Vordergrund steht. „Was ihr seid, das waren wir; was wir sind, das werdet ihr sein" sagen die drei Toten und ermahnen die Lebenden zu einem gottesfürchtigen Leben.

In Roggenburg handelt es sich nicht nur um eines der wenigen erhaltenen Beispiele dieser Legende, sondern das Fresko nimmt auch mit der Darstellung von Mann und Frau eine Sonderstellung ein: der vorderste der drei Lebenden ist ein elegant gekleideter Adliger, der um seine Hüfte eine Gürteltasche trägt, die entweder als spezielle Dolchtasche oder als Wappentasche zu interpretieren ist. Die dritte Figur ist mit den langen Haaren deutlich als Frau zu erkennen. Denkbar ist, dass dieses Bild in einer zweiten Bedeutungsebene als eine Darstellung des Stifterehepaares verstanden werden kann.

Das Erscheinungsbild der Fresken, ihre leuchtende Farbigkeit, die Lebendigkeit der Handgesten, die reiche Ornamentik weisen auf eine hohe künstlerische Qualität hin. Die ikonographischen Vorbilder sind dem französischen Kulturraum zuzuordnen. Stilistisch nahe verwandt sind die Roggenburger Malereien mit denjenigen von St. Martin in Oltingue (F). Die ebenfalls in die Mitte des 14. Jahrhunderts datierten Freskomalereien im Ostchor der Kirche St. Martin in Oltingue scheinen von der gleichen Werkstatt ausgeführt worden zu sein. Enge Parallelen im Bereich der Physiognomie, der Handgesten und der Figurenauffassung lassen den Schluss zu, dass sowohl in Roggenburg wie auch in Oltingue die gleiche Hand, resp. derselbe Meister tätig war.

Die neu entdeckten Freskomalereien nehmen mit ihrer künstlerischen Qualität und dem ikonographischen Programm einen grossen Stellenwert innerhalb der bis heute bekannten Wandmalereien des 14. Jahrhunderts in der Region Basel ein. Eine nähere Untersuchung und kunsthistorische Einordnung wird wichtige Erkenntnisse über die Stilentwicklung und das Auftraggeberverhalten im 14. Jahrhundert geben können.

Quelle: Denkmalpflege des Kantons Basel-Landschaft

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